Lastenheft

ERP Lastenheft

Is‘ eh wurscht!

Das Wichtigste gemäß DIN 69901-5: Ein Lastenheft (LH) ist KEIN Pflichtenheft (PH)! Im LH stehen die Anforderungen (=„WAS“), völlig losgelöst von einem Produkt! Erst viel später, nachdem Sie sich für einen Anbieter entschieden haben, erstellen Sie gemeinsam mit ihm das Pflichtenheft. Dort steht „WIE“ das „WAS“ umgesetzt wird. Warum ich darauf so herumreite? Nicht nur bei Kunden, die soeben ein ERP-Projekt starten höre ich: „Wir haben schon ein Pflichtenheft“, sondern auch bei Mitarbeitern von Anbietern wird „Lasten- und Pflichtenheft“ – nicht nur um Wortwiederholungen zu vermeiden – bunt gemischt verwendet. Oft wird dann die Frage: „Was jetzt? LH oder PH?“ noch trotzig mit „Is‘ eh wurscht“ quittiert, was dem präzisen Techniker nicht nur körperliche Pein bereitet, sondern mit „Is‘ eben NED wurscht!“ und einer längeren Erläuterung repliziert wird.

Was soll drinnen stehen?

Das LH beschreibt „die Gesamtheit der Anforderungen des Auftraggebers“ (DIN). Das ist bei komplexen Business-Softwarelösungen schon die erste Herausforderung. Benutzer wissen – hoffentlich – wie sie heute arbeiten. Sie wissen was ihnen am bestehenden System nicht passt, aber sie sind im Normalfall nur sehr eingeschränkt in der Lage „die Gesamtheit der Anforderungen“ zu formulieren. Wer weiß schon, wie das gesamte Unternehmen zusammenarbeitet? Geschweige denn, wie es künftig arbeiten soll – schon gar nicht für die kommenden 18 Jahre (siehe Studie)!
Trotzdem sagen manche:

„Lastenheft machen wir selber!“

Das ist ihr gutes Recht! Doch ein paar Gedanken dazu: Haben Sie genügend Zeit neben dem Tagesgeschäft? Denken Sie auch daran Anforderungen, die „eh jedes System kann“ zu formulieren, weil NICHTS ist Standard! Lassen Sie „blöde“ Fragen von KollegInnen zu, ohne sie zu mobben? Mein Vorschlag: Wenn Sie es intern machen, sollten sie wenigstens eine LH-Vorlage für Ihre Branche bewusst zukaufen.

LH-Vorlagen hilfreich, effizient

Mit einem Augenzwinkern sage ich zu meinen StudentInnen: Kaum ein externer Berater wird ohne Vorlage arbeiten! Irgendein früheres Projekt wird wohl zur Anwendung kommen. Sie müssen nur darauf achten, ob Nutzen und Kostenvorteil der Vorlage bei Ihnen liegen oder als Erhöhung seines Deckungsbeitrages beim Berater. Wenn Ihnen jemand sagt: „Das LH machen wir zu 100% für SIE ganz individuell von Null“, dann mit gehöriger Skepsis hinterfragen! Wenn es wirklich individuell gemacht wird, ist die „Gesamtheit der Anforderungen“ der Kostentreiber. Trotzdem wird ein wenig externe Begleitung nichts schaden! Denn: „If you think it’s expensive to hire a professional, wait until you try an amateur!“ (Red Adair)

Externe Beratung für das LH

Neben der externen Sicht und dem Auftrag: „Dumme Fragen stellen!“, kaufen Unternehmen Beratung auch als „Druckmittel gegen das Tagesgeschäft“. Damit die Workshops auch stattfinden und das Projekt schneller vorangeht. Aber welchen Berater nehmen? Einen Unabhängigen! Ich habe dazu einmal von einem Interessenten eine Auswahlberater-Checkliste bekommen.

Funktionen UND Prozesse!

Selbstverständlich sind die Geschäftsprozesse abzubilden! Es gibt Anbieter die „nur mehr Prozessangebote“ legen und Funktionsfragen einfach ablehnen. Überspitzt: „Ein Stück ERP“. hat für Anbieter den Vorteil, dass die Angebote kaum vergleichbar sind. Doch die Bausteine dafür, die Funktionen, müssen vorhanden sein, geprüft sein UND funktionieren. Beschreiben Sie die kritischen und ganz individuellen Prozesse im LH. Aber wirklich prüfeb können sie erst im Workshop. Durch Neuanordnung der Funktions-Bausteine können auch neue Geschäftsprozesse durch das ERP ermöglicht werden. Aus dieser generellen Anforderung entstehen auch 

technologische Anforderungen!

Dieser Bereich ist kaum durch Anwender abdeckbar, aber nicht minder wichtig. Weiterbestehende Systeme müssen integriert werden. In der Zukunft sind Mobile Anwendungen gefordert. Industrie 4.0 und Digitalisierung (endlich die beiden Buzzwords auch in einem Artikel verpackt J!) stellen oft heute noch völlig unbekannte Anforderungen an das ERP. Und ganz wesentlich: SICHERHEIT! Damit das Internet-of-Things nicht zum Internet-of-Ransomeware-Things wird.

Ein LH ist kein Wunschzettel!

Zum Abschluss noch der erhobene Zeigefinger des Auswahlberaters: Priorisieren Sie Ihre Anforderungen gut, bevor Sie die Anbieter damit konfrontieren! Seien Sie selbstkritisch was K.O. Anforderungen sind! „Wie oft brauchen Sie das? Wie oft kommt das in der Praxis vor?“, sind die wichtigsten Fragen, wenn wieder einmal eine Anforderung die „heute am Tisch ist und nicht gelöst werden kann“, unbedingt mit KRITISCH in das Lastenheft muss. Zuviel K.O. macht das Projekt teuer. Ist es zu teuer, wird es nicht entschieden. Sie drehen unnötige Runden in Ihrem Unternehmen und mit Anbietern für die Reduktion der Anforderungen.


Aber davon mehr im nächsten Heft „Die Ausschreibung“!
Ihr

Michael Schober – Der ERP-Tuner!

PS: Für die Auswahlberatercheckliste eine Mail an mich senden!

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