Von zerbröselnden Kolumnen und Planeten

Ja, ich lese meine eigenen Artikel!

Da zwischen dem Schreiben und der Veröffentlichung dieser Zeitschrift einige Zeit vergeht, lese ich dann meine eigene Kolumne und versuche sie mit dem gewonnenem Abstand zu beurteilen. Bei der letzten Ausgabe war es weniger der Inhalt, den ich Ende September wahrgenommen habe. Die aktuellen Ereignisse waren davon galoppiert. „Mein“ Thema war aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Die “Greek Debt Crisis“ vom Flüchtlingsstrom aus der medialen Wahrnehmung verdrängt. Und während ich noch darüber nachdachte, ob „Flüchtlinge Ursachen und Chancen – Die Sichtweise eines Technikers“ Thema dieser Ausgabe sein könnte, haben die Attentate in Frankreich am 13.11 zum Löschen der ersten Skizzen geführt.

Und: Ich lese sogar was ich soeben getippt habe!

„nachdachte“ lese ich im oberen Absatz. Sprache verändert das Denken heißt es. Es gibt zwar die „Vordenker“ – aber selbst die, denken „über etwas nach“, dass sie ja de facto vordenken. Es wäre vielleicht an der Zeit das Verb „vordenken“ in den aktiven Sprachgebrauch aufzunehmen. Könnte es nicht sein, das „Nachdenken darüber was wir tun könnten“ in seinem impliziten Widerspruch schon die Ursache für viele unserer Krisen ist? Ist es die Ursache für das reaktive – statt proaktivem Verhalten?

Dreht sich die Welt schneller?

Gerade hatte ich versucht wieder einen roten Faden zu finden und zu diesen ca. 4300 Zeichen zu knüpfen. Ein paar Fäden hingen am 50 km Grenzzaun zwischen Slowenien und Kroatien verknüpft mit Flüchtlingen in Mazedonien mit zugenähtem Mund – da kommt in den Nachrichten, dass die Türkei einen russischen Kampfjet abgeschossen hat. Ist es nur subjektive Wahrnehmung oder überschlagen sich die Ereignisse? Ich denke über den nächsten Satz nach – ein Anschlag in Tunesien. Im Bürgerforum Wortmeldungen von Menschen, die hinter den Zäunen am liebsten noch Mauern bauen wollen – sie haben Angst vor dem und den Unbekannten – 24.11 heute wird es nichts mehr mit dem Artikel.

Persönliche Gedanken zu Ursachen …

… aufgrund des knappen Platzes nur in Stichworten als Denkanstöße ohne Wahrheitsanspruch. Ein wenig liegt es wohl in der Evolution, die allen Lebewesen den Basisauftrag „Erhalte deine Spezies durch Reproduktion und beschütze deine Nachkommenschaft!“ erteilt hat. Ein Auftrag, der in der freien Natur und mit limitierten technologischen Werkzeugen im Rahmen des natürlichen Gleichgewichtes auch Jahrmillionen ganz gut funktionierte. Bis ein haarloser Primat (Sicher ein Mutant J) begonnen hat – wie ein Besessener – Werkzeuge (=Waffen) zu erfinden und damit seine Ressourcen zu verteidigen und die anderer zu erobern. Ein paar haben ihre Waffen verkauft – und wurden mit denselben Waffen – oder noch besseren – erschlagen. Wie war im Standard vom 20.11 zu lesen „Terrormiliz setzt auf Waffen *Made in Austria*“. NA GRATULIERE!

Das Bildnis des Dorian Gray …

Ganz gleich welche ideologischen oder religiösen Vorwände in den letzten Jahrhunderten verwendet wurden, der heutige Wohlstand Europas basiert auf rücksichtsloser Ausbeutung der Untertanen, Eroberung von Kolonien, billigem Zugang zu Bodenschätzen und Arbeitskräften. Paläste, Prachtbauten und heutigen Touristenattraktionen wurden damit ermöglicht.

… kriecht aus dem Hinterzimmer!

Der Bischof von Köln hat vor ein paar Wochen gesagt: „Deutschland beschäftigt mehr als 100.000 Menschen in der Rüstungsindustrie. Die Produkte werden zum Großteil exportiert. Es ist wenig überraschend, wenn das Ergebnis nun als Flüchtlingsstrom zu uns aufbricht.“

Völlig resignativer Abschluss?

Keine Heuschrecke im Schwarm denkt darüber nach, ob sie Schaden anrichtet. Alle fressen was das Zeug hält und ziehen weiter. Der Vergleich mag für den Humanisten (auch in mir) schrecklich klingen: Ein derzeit ca. 9 Mrd großer Homo Sapiensschwarm zieht über die Erde. Vernichtet dabei seine eigene Lebensgrundlage und auch seine Verwandten und Kinder als Kollateralschaden. Ein paar Prozent drehen sich entsetzt um und schreien in das tosende brummen des Schwarms hinein „AUFHÖREN!“ – kaum einer nimmt es wahr. Ziemlich genau 80 (!!) Individuen haben bereits 50% des Weltvermögens in ihrem Besitz – sie und ihr engerer Hofstaat wird vielleicht noch einige Zeit überleben. Dann werden auch sie von den restlichen 8.999.999.920 überrannt. Ob die Prophezeiung von Albert Einstein eintrifft?: „Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“ Vielleicht! Aber irgendwann wird sicher dieser Witz Wahrheit: Treffen sich zwei Planeten, sagt der eine „Ich hab Homo Sapiens!“ –  darauf der andere: „Das geht vorbei!“

Michael Schober

PS: Ich schau‘ jetzt noch, dass mein Sohn eine ordentliche Ausbildung bekommt!

Links: www.aufschrei-waffenhandel.de

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4 thoughts on “Von zerbröselnden Kolumnen und Planeten

  1. Guten Tag Herr Schober!

    Ich habe mir erlaubt, Sie in meinem TARA-Beitrag zu zitieren (Ende der 2. Seite). Treffender hätten Sie es nicht formulieren können finde ich.
    http://www.logistik-express.com/wp-content/uploads/epaper/LE-1-2016/resources/_pdfs_/LE-1-2016__.pdf

    Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende.-Peter Baumgartner

    LOGISTIK express
    Fachmedium für Logistik
    Sky 360
    Operngasse 17-21
    1040 Wien
    http://www.logistik-express.com

  2. Lieber Herr Baumgartner (wenn ich mir diese Anrede erlauben darf, aber sie trifft meine Emotion beim Lesen Ihres Kommentars am Besten!),

    die Anzahl der Leserbriefe ist permanent – trotz Aufforderung – sehr überschaubar. Ich glaube Ihrer ist der vierte in ca. 11 Jahren. Die Menge des Response macht mich immer wieder nachdenklich, ob ich mir „das noch weiter antue“ – dieses Gefühl „in ein Sackerl zu reden und es vor die Tür zu stellen“.
    Aber alle Leser-Mails waren positiv und haben zum Weiterschreiben motiviert. Einen Schreiber habe ich dann beim Urlaubszwischenstop in Athen getroffen (ein Auslandsösterreicher).
    – zwei – dreimal wurde ich auf Veranstaltungen angesprochen „Sie sind doch der, der im Ingenieur schreibt? – ich lese die Kolumne jedes Mal“ – auch das motivierte zum Weitermachen und damit zu der Kolumne, zu der Sie mir geschrieben haben und die hat mich wirklich vom Hocker geworfen!

    Ich darf Ihre Mail meinerseits auch ausdrucken und eingerahmt aufhängen ! ich bin einfach überwältigt – Danke Danke Danke! Ich habe schon öfter mit dem Gedanken gespielt etwas längeres zu schreiben. Vielleicht sollte ich das wirklich endlich umsetzen. Mit dem Rückenwind von Ihnen. (Ich schreibe im Ingenieur seit 2006 – thematisch immer sehr bunt und breit)

    Vielleicht treffen wir einander einmal auf einen Kaffee!
    Ganz herzliche Grüße aus dem 19. Bezirk
    Michael Schober

  3. Guten Abend Herr Schober,

    ich bin mir sicher, Sie haben unzählige Leser, die Ihnen gerne eine positive Rückmeldung schicken würden. Aber man weiß ja, es gibt viele Gründe, warum man es dann doch nicht macht. Außerdem, man schreibt ja auch nicht nur für Leser und Leserinnen. Manches muss einfach einmal gesagt oder geschrieben werden, auch wenn es niemand hören oder lesen will. Wenn es dann auch noch jemand liest und zustimmt, ist es noch besser. Die, die es nicht lesen, sind dann selber schuld.

    Geben Sie nicht auf. Und wenn Sie ein Buch schreiben, haben Sie schon einen Kunden fix. Sollte der Rückenwind nicht ausreichen, mache ich auch gerne einen Rückensturm. Ich rechne mit Ihrer Einladung zur Buchpräsentation. Spätestens dann, sollten wir uns auch zum Kaffee verabreden.

    Alles Gute und herzliche Grüße.-Peter Baumgartner

  4. Wo recherchiert man zu technischen Fragen? Natürlich auch in Zeitschriften von und mit Technikern. Während man so dahin surft, sich nichts dabei denkt und nur auf Technik konzentriert ist, haut es einen thematisch beinahe völlig auf die “Papp’n”. Unverhofft und unvorbereitet taucht da plötzlich ein Thema auf – was heißt Thema, eine Weltanschauung taucht da auf, die so gar nichts mit Technik zu tun hat. Oder vielleicht doch? Vielleicht sollte man mehr Techniker zur Lösung wirklicher Probleme zulassen.

    Jedenfalls, ich habe mich nach dem ersten Schock schnell wieder darappelt und mich statt mit dem Grund meiner Recherche einige Zeit mit “zerbröselnden Kolumnen und Planeten” beschäftigt. Seither liegt dieser Beitrag bei mir abgelegt unter “eingerahmte Beiträge” – bereit, bei Bedarf immer wieder daran erinnert zu werden.

    Danke Herr Schober!

    Einen schönen Abend und freundliche Grüße.-Peter Baumgartner

    LOGISTIK express
    Fachmedium für Logistik

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