Euer Mann in Havanna

Kuba sollte man noch gesehen haben, bevor es völlig für die Raubzüge des Massentourismus und der Globalisierung freigegeben wird, und von allen anderen Gegenden der Welt nicht mehr unterscheidbar ist!“ beschloss der Familienrat im letzten Winter. Im Juli fuhren wir im Mietwagen abseits der Touristenressorts einmal vom Nordwesten nach Südosten. Als mich kurz nach der Rückkehr Ing. Putz sen. vom VÖI anrief und um einen Artikel für diese Ausgabe fragte, blieb auch nach intensivem Nachdenken „Unser Mann in Havanna“ die einzige übermächtige Überschrift.

Wie war der Urlaub?

Sie kennen sicher auch diese unsägliche Frage – ich versuche sie ein wenig anders zu beantworten und vielleicht schaffe ich es den Bogen zu uns Ingenieuren zu spannen. Ob es das Regime ohne die Sowjetunion je gegeben hätte? Dass es nach dem Ende der UdSSR sich solange gehalten hat ist überraschend. Ob das US-Embargo als Feindbild dafür mitverantwortlich ist? Fassaden von Revolutionsgebäuden werden weiß getüncht für den Besuch von Raoul und ev. Fidel – daneben einstürzende Balkone. Ein Karnevalsumzug mit viel Bier aber seltsam versteinerten Mienen. Große Plakate bejubeln die Solidarität und mir fällt dazu Brecht ein: „Erst kommt das Fressen dann kommt die Moral!“

„Ollas bauföllig!“

Würde unsere Baupolizei eine Bestandsaufnahme in den Stadtzentren vornehmen, müssten wahrscheinlich 80% behördlich wegen Einsturzgefahr geräumt werden. Die Mehrheit des ehemaligen Glanzes auf Blut von Sklaven und der Abholzung für Zuckerrohr gebaut. Die „Hilfe“ der Sowjetischen Bruderstaaten hat abscheuliche Plattenbauten hinterlassen, deren Baustoff völlig klima-inkompatibel ist. Renoviert werden die Fassenden und Gebäude auf touristisch interessanten Plätzen. Wie viel von diesen Einnahmen bei den Menschen ankommt? Die Gasse hinter dem hübschen Platz lässt heftig daran zweifeln.

Es geht für fast alle ums blanke Überleben

Mit einem staatlichen Monatsgehalt von 8 Euro für JEDEN egal was der Mensch kann oder macht – kann auch zu lokalen Pesos Preisen keiner leben. Es fehlt an Vielem und doch gibt es vieles wo wir westlichen Ingenieure uns was abschauen könnten. Ja, Kuba liegt voll im Trend! Wenn es den Konsumreflex „Schmeiß weg! – Kauf ein Neues! – Ist billiger als es zu reparieren!“ sowohl mangels Geld, aber auch mangels verfügbarer neuer Waren nicht gibt, dann wird „Reparieren statt Wegwerfen“ selbstverständlich.

Erbarmungslos Ressourcenschonend!

Alle Getränke in PET-Flaschen – leider. Doch rasch habe ich mir abgewöhnt wie bei uns das Flaschenvolumen zu minimieren! Die leeren Flaschen werden dir förmlich aus der Hand gerissen, um sie wieder mit etwas anderem zu füllen. Bierdosen finden sich als Trinkbecher auf dem Jahrmarkt wieder. Die Karosserien der 50er Oldtimer werden mit asiatischen Motoren und Getrieben bewegt. Ein 807er-Peugeot mit defektem Automatikgetriebe bekommt ein Schaltgetriebe verpasst dessen Gestänge wie die blankgelegten Elle und Speiche des Terminators vom Fahrgastraum in die Motorhaube hineinstochern.

Wo sind wir? Peak Everything!

Medial und politisch wird noch der Peak-Oil ausgelutscht. In der Wissenschaft ist es bereits angekommen: Peak-Everthing! ALLES wird knapp! Prof. Radermacher (www.faw-neu-ulm.de ) führte vor ein paar Monaten aus, dass wir auf dem Worst-Case-Szenario der Studie des Club of Rome aus den 60ern unterwegs sind. Die technikgläubige Menschheit  hofft, dass wir einfach weitermachen mit der Ressourcenverschwendung und irgendwer wird schon eine Lösung finden, dann – wenn’s wirklich eng wird. Aber muss es so weit kommen? Dass wir den Planeten an die Wand fahren und erst dann auch dort sind?

„Not macht erfinderisch!“

… und wie war doch gleich das andere: „Ein voller Bauch studiert nicht gern!“ Wie wäre es mit ein paar Monaten Pflichtpraktikum in einem Land wie Kuba? – Ein Erfahrungsaustausch, der sicher für beide Seiten gewinnbringend sein kann. Eine der Rahmenbedingungen müsste aber sein: Vermeide alles was bei den Menschen im Gastland einen Konsumwunsch erzeugen könnte – also keine elektronischen Geräte mitnehmen! Deine Tauschware sind Wissen und Fähigkeiten. Definiere Dich durch Dein SEIN und nicht durch Dein HABEN!

Was ich mir wünschen würde?

Lernen wir von den Kubanern die Rohstoffeffizienz! Zeigen wir Ihnen wie sie effizienter Reparieren können! Reparieren auch wir effizienter! Anerkennen wir, dass sie uns durch ihre spezielle Situation eigentlich überholt haben! – Sie hätten die große Chance den Konsumschwachsinn auszulassen und die Chance gleich bei der Ressourceneffizienz einzusteigen. Sicher können wir diesen Witz zwar nicht aufhalten, aber vielleicht in eine fernere Zukunft verschieben: „Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine „Ich hab‘ HomoSapiens!“ – darauf der andere „Das geht vorbei!“ “

Fotos und mehr persönliche Eindrücke von Kuba2013 auf dieser Webseites unter Reiseberichte.

Ihr Michael Schober

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